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In der Regel werden die Gläubigerschutzverbände bei der Einleitung eines Abschöpfungsverfahrens zum Treuhänder bestellt. Der Treuhänder muss jedoch – ebenso wie der Insolvenzverwalter nach § 80b IO – vom Schuldner und von den Gläubigern unabhängig sein. Diese Unabhängigkeit liegt nicht mehr vor, wenn ein Gläubigerschutzverband einen bestimmten Gläubiger gegen den Schuldner vertreten hat. Auf Grund dieser Stellung als Vertreterin einer Gläubigerin gegen den Schuldner ist die Unabhängigkeit für die Funktion als Treuhänder nicht in dem geforderten Maß gewährleistet.
Das LG für ZRS Wien sowie das LG Linz haben in diesem Zusammenhang folgende Entscheidungen getroffen:
LGZ Wien, 46 R 272/19v vom 14.08.2019
Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat als Rekursgericht durch Dr. Streller als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Schaumberger und die Richterin Mag. Slunsky-Jost im Schuldenregulierungsverfahren des E**** G**** T****, 1030 Wien, über den Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10.7.2019, 63 S 16/19z-15, den
B e s c h l u s s
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss, der betreffend die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens unberührt bleibt, hinsichtlich der Treuhänderbestellung aufgehoben und dem Erstgericht die Bestellung eines anderen Treuhänders aufgetragen. Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt € 30.000,–.
Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.
B e g r ü n d u n g:
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und den Kreditschutzverband von 1870 (im Folgenden KSV) zum Treuhänder bestellt.
Gegen diesen Beschluss, und zwar nur gegen die Bestellung des KSV zum Treuhänder, richtet sich der Rekurs des Schuldners.
Der Rekurs ist berechtigt. In der Tagsatzung vom 10.7.2019 hat der KSV als Vertreter der BAWAG P.S.K. Bank für Arbeit und Wirtschaft und Österr. Postsparkasse AG gegen den angebotenen
Zahlungsplan gestimmt, sodass dieser die erforderlichen Mehrheiten nicht erreicht hat. Der Rekurswerber macht geltend, die für die Funktion des Treuhänders gebotene Unabhängigkeit sei nicht im geforderten Maß gewährleistet, wenn dieser einen Gläubiger gegen den Schuldner vertrete oder vertreten habe. Diesen Rechtsausführungen ist
beizupflichten. Gemäß § 202 Abs 2 IO bestimmt das Gericht zugleich mit der Einleitung des Abschöpfungsverfahrens für dessen Dauer einen Treuhänder, auf den der pfändbare Teil der Forderungen des Schuldners auf Einkünfte aus einem Arbeitsverhältnis oder auf sonstige wiederkehrende Leistungen mit Einkommensersatzfunktion nach Maßgabe der Abtretungserklärung übergeht. Nach § 202 Abs 3 IO kann zum Treuhänder auch ein
bevorrechteter Gläubigerschutzverband bestellt werden. Der Treuhänder muss jedoch – ebenso wie der Insolvenzverwalter nach § 80b IO – vom Schuldner und von den Gläubigern unabhängig sein. Diese Unabhängigkeit liegt nicht mehr vor, wenn ein Gläubigerschutzverband einen bestimmten Gläubiger gegen den Schuldner vertreten hat (vgl LGZ Wien, 46 R 182/13z, 46 R 232/13b ua, ggt 47 R 45/13k). Da der KSV hier
bereits als Gläubigervertreter eingeschritten ist, fehlt ihm die für die Funktion eines Treuhänders erforderliche Unabhängigkeit. Die Bestellung zum Treuhänder war daher
aufzuheben. Mit Rücksicht auf die Notwendigkeit der öffentlichen Bekanntmachung in der Insolvenzdatei wird die Auswahl und Bestellung eines anderen Treuhänders dem Erstgericht aufgetragen.
Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes orientiert sich an der Summe der festgestellten Insolvenzforderungen.
Der ordentliche Revisionsrekurs war gemäß § 252 IO iVm § 528 Abs 1 ZPO zuzulassen, da zur Frage, ob ein Gläubigerschutzverband, der im Insolvenzverfahren einen Gläubiger gegen den Schuldner vertreten hat, zum Treuhänder im Abschöpfungsverfahren bestellt werden kann, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehlt.
Landesgericht für ZRS Wien
Abt. 46, am 14. August 2019
LG Linz, 32 R 83/16f vom 29.09.2016, BG Urfahr 7 S 6/16a
Vorliegendenfalls hat der AKV die Gläubigerin S*** C*** GmbH nicht nur bei der Forderungsanmeldung vertreten, sondern ist auch als Vertreter dieser Gläubigerin in den
Tagsatzungen vom 9. Mai 2016 sowie 13.06.2016 eingeschritten und hat sich gegen den Zahlungsplan ausgesprochen. Auf Grund dieser Stellung als Vertreterin einer Gläubigerin gegen den Schuldner ist die Unabhängigkeit für die Funktion als Treuhänder nicht in dem geforderten Maß gewährleistet.
Das Landesgericht Linz als Rekursgericht hat durch die Richter Dr. Franz Pilgerstorfer als Vorsitzenden sowie MMag. Michaela Schweighofer und Mag. Herbert Ratzenböck in der Schuldenregulierungssache der Schuldnerin H*** E***, 4040 Linz, vertreten durch die Schuldnerberatung OÖ, 4020 Linz, Spittelwiese 3, über den Rekurs der Schuldnerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Urfahr vom 13. Juni 2016, 7 S 6/16a-26, in nicht öffentlicher Sitzung den
B e s c h l u s s
gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss, der im Übrigen mangels Anfechtung aufrecht bleibt, wird hinsichtlich der Treuhänderbestellung aufgehoben und dem Erstgericht die Bestellung
eines anderen Treuhänders aufgetragen. Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt € 30.000,–. Der ordentliche Revisionsrekurs ist zulässig.
B e g r ü n d u n g:
Am 26.2.2016 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des
Schuldenregulierungsverfahrens. Dabei bot sie einen Zahlungsplan mit einer Quote von 9,92 % an und bezeichnete die Summe ihrer Verbindlichkeiten mit EUR 72.000,–.
Gleichzeitig beantragte sie für den Fall der Nichtannahme des Zahlungsplans die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens mit Restschuldbefreiung. Als Treuhänder schlug sie die ASB Schuldnerberatungen GmbH in Linz vor. Am 31.3.2016 meldete die Gläubigerin S*** C*** Bank GmbH, 1212 Wien, vertreten durch den Alpenländischen Kreditorenverband Europa (AKV), eine titulierte Forderung in Höhe von EUR 28.926,60 an (ON 1 des Anmeldungsverzeichnisses).
In der Tagsatzung vom 9. Mai 2016 wurden die bisher angemeldeten Forderungen (01 bis 03) in Höhe von EUR 68.769,39 festgestellt und anerkannt. Die Schuldnerin bot eine
Quote von 10,38 %, zahlbar in sieben jährlichen Raten an. Die Gläubigerin S*** C*** Bank AG, die wiederum durch den AKV vertreten war, stimmte dem Zahlungsplan nicht zu. Da der dritte Gläubiger nicht anwesend war, wurde auf Antrag der Schuldnerin die
Tagsatzung auf den 13. Juni 2016 erstreckt (ON 19). In der nachträglichen Prüfungstagsatzung vom 13. Juni 2016 wurden die angemeldeten Forderungen in Höhe von EUR 76.269,39 festgestellt und anerkannt. Die Schuldnerin bot eine Quote von 9,29 %, zahlbar in sieben jährlichen Raten an. Die Gläubigerin S*** C*** Bank AG, vertreten durch den AKV, sprach sich, ebenso wie sämtliche anderen anwesenden Gläubiger, gegen den Zahlungsplan aus (ON 25). Mit Beschluss vom selben Tag wurde das Abschöpfungsverfahren eingeleitet und der Alpenländische Kreditorenverband, Schleifmühlgasse 2, 1040 Wien, zum Treuhänder
bestellt (ON 26). Gegen diese Entscheidung richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Schuldnerin mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss insofern abzuändern, dass nicht der Alpenländische Kreditorenverband, sondern die ASB Schuldnerberatung als Treuhänder
bestellt werde. Der Rekurs ist im Sinne eines im Abänderungsbegehren enthaltenen Aufhebungsbegehren berechtigt. Die Schuldnerin vertritt die Auffassung, dass der Alpenländische Kreditorenverband im bisherigen Verfahren bereits als Gläubigervertreter eingeschritten sei und es ihm daher an der für die Funktion eines Treuhänders erforderliche Unabhängigkeit fehle. Die erforderliche Unabhängigkeit sei nicht mehr gewährleistet, wenn ein Treuhänder bereits einen Gläubiger gegen einen Schuldner vertreten habe. Weiters habe auch der AKV als
Vertreter der Gläubigerin dem angebotenen Zahlungsplan nicht zugestimmt. Wer als Treuhänder in Betracht kommt, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Kraft
ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung in § 202 Abs 3 IO kann auch ein bevorrechteter
Gläubigerschutzverband zum Treuhänder bestellt werden. Zudem können alle Personen, die nach § 80 IO zum Insolvenzverwalter bestellt werden können, jedenfalls zum Treuhänder bestellt werden. Aus der Funktion des Treuhänders ergibt sich, dass das Gebot der Unabhängigkeit (§
80b IO) auch hier gilt (RPflE 2007/116; Kodek, Privatkonkurs² Rz 580). Gemäß § 80b Abs 2 Z 2 IO hat der Insolvenzverwalter dem Insolvenzgericht jedenfalls bekannt zu geben, dass er einen Gläubiger des Schuldners vertritt oder berät oder einen Gläubiger gegen den Schuldner innerhalb von drei Jahren vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vertreten oder beraten hat. Dabei ist also zu unterscheiden, ob der Insolvenzverwalter einen Gläubiger des Schuldners gegen diesen oder gegen eine andere Person vertreten oder beraten hat. Die Gefahr der fehlenden Unabhängigkeit ist wesentlich größer, wenn der Insolvenzverwalter einen Gläubiger gegen den Schuldner vertreten hat oder vertritt, als in den Fällen, in denen er einen Gläubiger gegen einen Dritten vertreten oder beraten hat. Berät oder vertritt der Insolvenzverwalter einen Gläubiger gegen den Schuldner, fehlt ihm die Unabhängigkeit (Hierzenberger/Riel in Konecny/Schubert, KO § 80 Rz 15). Vorliegendenfalls hat der AKV die Gläubigerin S*** C*** Bank GmbH nicht nur bei der Forderungsanmeldung vertreten, sondern ist auch als Vertreter dieser Gläubigerin in den Tagsatzungen vom 9. Mai 2016 sowie 13.06.2016 eingeschritten und hat sich gegen den Zahlungsplan ausgesprochen. Auf Grund dieser Stellung als Vertreterin einer Gläubigerin gegen den Schuldner ist die Unabhängigkeit für die Funktion als Treuhänder nicht in dem geforderten Maß gewährleistet (so auch LG Feldkirch 2 R 172/12b; LGZ Wien 46 R 79/13b, 46 R 182/13z; für eine strenge Linie auch Kodek aaO Rz 584). Deshalb ist dem Rekurs Folge zu geben, die erstinstanzliche Entscheidung im angefochtenen Umfang aufzuheben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Auswahl eines anderen Treuhänders aufzutragen. Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes orientiert sich an der Summe der festgestellten Insolvenzforderungen (EUR 76.269,39). Der ordentliche Revisionsrekurs war gemäß § 252 IO iVm § 528 Abs 1 ZPO zuzulassen, weil es zur Frage, ob ein Gläubigerschutzverband, der im Insolvenzverfahren einen Gläubiger gegen den Schuldner vertreten hat, zum Treuhänder im Abschöpfungsverfahren bestellt werden kann, an höchstgerichtlicher Rechtsprechung fehlt.
Landesgericht Linz,
Linz, 29. September 2016