Abschöpfungsverfahren

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ANGEMESSENE ERWERBSTÄTIGKEIT

 

Die Gläubiger versuchen immer öfter die Einleitung von Abschöpfungsverfahren mit verschiedenen Begründungen zu verhindern. Das LG für ZRS Wien hat in diesem Zusammenhang folgende Entscheidung getroffen:

Die vom Schuldner ausgeübte Erwerbstätigkeit in einem Gastronomiebetrieb im Ausmaß von 16 Wochenstunden vor dem Hintergrund der CORONA-Pandemie ist eine angemessene Erwerbstätigkeit, sodass nicht zu prüfen ist, ob er sich um eine solche bemüht hat.

LGZ Wien, 46 R 168/20a vom 30.09.2020

Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat als Rekursgericht durch Dr. Streller als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Hasibeder und den Richter Dr. Schaumberger in der Insolvenzsache des Schuldners Gabriel R****, 1020 Wien vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in Wien, über den Rekurs des Schuldners gegen den Beschluss des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 15.6.2020, 15 S 4/20x-26, den

 

 

B e s c h l u s s

gefasst:
Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss dahingehend abgeändert, dass dieser lautet:

„Der Antrag der Gläubigerin B**** AG auf Nichteinleitung des Abschöpfungsverfahrens wird abgewiesen.“
Die Einleitung des Abschöpfungsverfahrens bleibt dem Erstgericht vorbehalten. Der Wert des Entscheidungsgegenstandes übersteigt € 30.000, –. Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

B e g r ü n d u n g:

Am 27.2.2020 eröffnete das Erstgericht über Antrag des Schuldners das Schuldenregulierungsverfahren und beließ ihm die Eigenverwaltung. In der Tagsatzung am 27.5.2020 anerkannte der Schuldner alle angemeldeten Forderungen in Summe von € 746.294,69; der einzige anwesende Gläubiger B**** AG stimmte gegen den vom Schuldner angebotenen Zahlungsplan und machte betreffend das Abschöpfungsverfahren ein Einleitungshindernis gemäß § 201 Abs 1 Z 2a IO geltend und führte hiezu aus, der Schuldner habe trotz Gerichtsauftrags keine Bescheinigungen darüber darlegen könne, dass er sich um eine angemessene Erwerbstätigkeit bis dato bemüht habe. Der Schuldner trat dem entgegen und führte aus, er könne durch Parteieneinvernahme beweisen, dass er sich tatsächlich um eine Arbeit bemüht habe. Es liege auch auf der Hand, dass aufgrund der COVID-19-Pandemie und der Schließung der Gasthäuser bis 15.5.2020 keine Möglichkeit bestanden habe eine bessere Arbeit zu bekommen. Bei diesen Arbeitgebern könne mündlich angefragt werden, ob eine schriftliche Bestätigung der Bewerbung ausgefertigt werde. Er habe sich bei ungefähr sieben bis acht Arbeitgebern in der Gastronomie beworben. Er habe nur Absagen erhalten. Hierauf trug das Erstgericht dem Schuldner auf, binnen 14 Tagen Bestätigungen der Gastronomiebetriebe über die Bewerbungen vorzulegen bzw die Mitteilung, dass keine ausgestellt werde. Der Schuldner legte sodann mit Schriftsatz vom 8.6.2020 fünf Bestätigungen und mit Schriftsatz vom 12.6.2020 eine sechste Bestätigung über erfolglose Bewerbungen vor.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Erstgericht den Antrag des Schuldners auf Einleitung des Abschöpfungsverfahrens gemäß § 201 Abs 1 Z 2a IO abgewiesen. In der Begründung des angefochtenen Beschlusses stellte es fest, dass der Schuldner seit 1.2.2020 bei F**** GmbH beschäftigt ist und dort bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 16 Stunden hiefür € 522,– erhält. Er hat sich bei sieben bis acht Unternehmen um eine Arbeitsstelle beworben. Rechtlich zog das Erstgericht unterhaltsrechtliche Judikatur heran, wonach die Suche nach einer Beschäftigung ein „Fulltime-Job“ wäre, sodass ein arbeitsloser Unterhaltspflichtiger etwa 40 Stunden wöchentlich dafür zu verwenden hätte, sich um eine Beschäftigung zu bemühen. Da der Schuldner 16 Stunden pro Woche arbeite, hätte er noch viele Stunden Zeit gehabt, Bewerbungen zu schreiben, Absagen zu sammeln und dem Gericht ordnungsgemäß vorzulegen. Der Schuldner habe sich lediglich im Gastro-Bereich beworben, er müsste aber auch berufsfremde Tätigkeiten, auswärtige Arbeiten oder eine Aushilfs- oder Gelegenheitsarbeit annehmen. Auch wenn das Gastgewerbe während der CORONA-Pandemie geschlossen gewesen sei, seien für diese Zeit Dienstnehmer in verschiedenen Bereichen medienkräftig gesucht worden (Securities, Aushilfskräfte im Lebensmittelbereich, Erntehelfer). Nach der Entscheidung 8 Ob 135/12d sehe der Gesetzgeber die mit dem Abschöpfungsverfahren angestrebte Restschuldbefreiung als Vorteil an, der nur redlichen Schuldnern gebühren solle, die sich den Gläubigern gegenüber nichts zu Schulden kommen lassen. Nur wenn das künftige Wohlverhalten gesichert erscheine, könne auch erwartet werden, dass der Schuldner die ihm durch das Abschöpfungsverfahren auferlegten Einschränkungen einhalten werde. Im gegenständlichen Fall könne nicht von einem redlichen Schuldner ausgegangen werden. Gegen diesen Beschluss richtet sich der berechtigte Rekurs des Schuldners.

Der Antrag auf Durchführung des Abschöpfungsverfahrens ist gemäß § 201 Abs 2 IO nur auf Antrag eines Insolvenzgläubigers abzuweisen, wenn eines der in § 201 Abs 1 IO angeführten Einleitungshindernisse vorliegt; jenes nach Z 2a ist dann verwirklicht, wenn der Schuldner während des Insolvenzverfahrens keine angemessene Erwerbstätigkeit ausgeübt oder, wenn er ohne Beschäftigung war, sich nicht um eine solche bemüht oder eine zumutbare Tätigkeit abgelehnt hat. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts ist bereits die vom Schuldner ausgeübte Erwerbstätigkeit in einem Gastronomiebetrieb im Ausmaß von 16 Wochenstunden vor dem Hintergrund der CORONA-Pandemie eine angemessene Erwerbstätigkeit, sodass nicht zu prüfen ist, ob er sich um eine solche bemüht hat. Es ist gerichtsbekannt, dass in Österreich noch im Juli 2020 rund 430.000 Personen arbeitslos und rund 460.000 in Kurzarbeit waren, also rund 890.000 Personen von der Arbeitsmarktkrise infolge der CORONA- Pandemie direkt betroffen waren. Der Schuldner kann sich glücklich schätzen, dass er seinen Teilzeit-Arbeitsplatz in der Gastronomie behalten hat. Angesichts der großen Zahl von Arbeitslosen ist die Annahme des Erstgerichtes, der Schuldner könnte in anderen Branchen oder in anderen Bundesländern eine Vollzeit-Beschäftigung finden, äußerst unwahrscheinlich. Schließlich sind die Ausführungen des Erstgerichtes zur mangelnden Redlichkeit des Schuldners verfehlt. Die zitierte Entscheidung 8 Ob 135/12d betraf einen Schuldner, der wegen betrügerischer Krida gemäß § 156 StGB verurteilt worden war und bei dem somit das Einleitungshindernis nach § 201 Abs 1 Z 1 IO vorlag. Im vorliegenden Fall gibt es aber überhaupt keine Anhaltspunkte für eine Unredlichkeit des Schuldners, vielmehr ist er dem Auftrag des Erstgerichtes zur Urkundenvorlage nachgekommen und hat sechs schriftliche Bestätigungen von Dienstgebern über seine mündlichen Bewerbungen eingeholt und vorgelegt. Der Tatbestand des § 201 Abs 1 Z 2a IO ist nicht erfüllt. Es war daher dem Rekurs Folge zu geben und der Antrag des Gläubigers auf Nichteinleitung des Abschöpfungsverfahrens abzuweisen. 

Der Ausspruch über den Wert des Entscheidungsgegenstandes orientiert sich an der Summe der Insolvenzforderungen. 

Der Ausspruch zur Zulässigkeit des Revisionsrekurses gründet auf § 252 IO iVm § 528 Abs 1 ZPO. Eine Rechtsfrage der dort geforderten Qualität war hier nicht zu beantworten.

Landesgericht für ZRS Wien Abt. 46, am 30. September 2020

 

 

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